Eigenes von Kerstin Heine
September 2021
Heute Morgen bin ich für einmal früh aus dem Bett gekrochen, um den Strand in morgendlicher Stille geniessen zu können. Ganz still war er nicht – und ich war auch nicht die Einzige mit diesem Anliegen… Die Frühschwimmer*innen stiegen nach ihrem Morgenbad bereits aus den Fluten. Der Jeep der Gemeindemitarbeiter auf der Suche nach liegengelassenem Müll pflügte durch den noch nachtfeuchten Sand. Und ein paar Möwen kämpften lautstark um ein Frühstücksbrötchen, das eine von ihnen irgendwo aufgelesen hatte.
Und doch wurde es ruhig in mir, als ich mich still an den Dünenrand setzte und diese ganze Szenerie in mich aufnahm. Die Morgenfrische liess mich tiefer in meine Fliessjacke kriechen, die sanfte Seebrise mich tief durchatmen. Langsam kroch die Sonne in meinem Rücken über die Düne und tauchte immer grössere Abschnitte des eben noch glänzenden, bleigrauen Spiegels vor mir in glitzerndes Silberblau. Die See schien erst langsam zu erwachen und griff ganz sanft mit leise plätschernden Wellen nach dem Strand.
Bei meiner Rückkehr zum Strandübergang fühlte ich mich genährt und gestärkt. Unruhige Spannungen hatten sich gelöst, innere Wogen sich geglättet. Und dann fielen mir nacheinander diese Spuren im Sand auf und ich hielt sie als Erinnerungsanker an diese Stimmung fest. Sie haben mich durch den Tag begleitet und mir die Fragen mitgegeben, die ich mir schon früher öfters gestellt habe: Welche Spuren will ich hinterlassen? Will ich überhaupt Spuren hinterlassen? Wenn ja, mit welcher Absicht und für wen?
Die Wellen hinter mir griffen in den Sand und nahmen die Spuren mit sich. Mein Frieden blieb.
© Kerstin Heine